Besprechung zu:

Frank Konersmann: Kirchenregiment und Kirchenzucht im frühneuzeitlichen Kleinstaat. Studien zu den herrschaftlichen und gesellschaftlichen Grundlagen des Kirchenregiments der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken 1410-1793, Köln: Rheinland Verlag 1996 (= Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte, Band 121). 718 S., ISBN: 3-7927-1610-0

Autor der Besprechung: Detlev Mares

Erstveröffentlichung der Besprechung: keine weitere Veröffentlichung

 

In seiner umfassenden Studie untersucht Konersmann das Kirchenregiment der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken als wesentliches Element frühneuzeitlicher Staatsbildung in einem Kleinstaat. Sein ausgreifender historischer Querschnitt setzt an im Gründungsjahr des Herzogtums, 1410, und endet mit dem Einmarsch französischer Revolutionstruppen 1793. Innerhalb dieser Epoche unterscheidet der Autor drei Phasen des landesherrlichen Kirchenregiments: die spätmittelalterliche Zeit (1410-1532), eine reformatorisch/konfessionelle Phase (1532-1680) und eine Zeit des staatskirchlichen/wohlfahrtsstaatlichen Kirchenregiments (1681-1793). An dieser Dreiteilung orientiert sich auch die Gliederung der Darstellung.

Diese einzelnen Teile der Studie sind eng verknüpft mit historiographischen Ansätzen aus den Sozialdisziplinierungs-, Konfessionalisierungs- und Kommunalismusdebatten. Die ausführlich begründete Verknüpfung dieser Ansätze erlaubt es, neben der herrschaftlichen Ebene auch die Bevölkerung in den Blick zu bekommen und die Wechselbeziehungen zwischen territorialer Regierung und kirchlichen Gemeinden zu beurteilen.

Der erste Teil schildert das vorreformatorische Kirchenregiment der Herzöge, das im wesentlichen auf Klostervogteien und Schiedsgerichtbarkeit, in geringerem Maße auf Patronatsrechten und Stiftungen beruhte. Obwohl das Verhältnis zwischen Herzögen und Reichskirche weitgehend konfliktfrei war, begegnete Herzog Ludwig II. der reformatorischen Bewegung mit Sympathie. Sowohl die lutherische als auch die zwinglianische Theologie konnten sich daher bereits vor 1532 im Herzogtum ausbreiten und institutionalisieren.

Mit Pfalzgraf Ruprecht setzte ab 1533 auch in Pfalz-Zweibrücken die Phase der Fürstenreformation ein. Dabei blieben die innerprotestantischen Lehrunterschiede zunächst erhalten; erst ab der Mitte der 1550er Jahre schaltete sich der Landesherr stärker in den Prozeß der Bekenntnisbildung ein. Die Presbyterien wurden erhöhter landeskirchlicher Kontrolle unterworfen, die Konfessionalisierung des Territoriums wurde mit Unterstützung des Landesherrn in eine lutherische Richtung geführt. Visitationen kontrollierten die Aufrechterhaltung der Kirchenzucht - ein wichtiges Mittel landesherrlicher Disziplinierungsbestrebungen, die zugleich durch polizeiliche Maßnahmen gegen Trunkenheit, Streitereien oder Flüche sowie die Ehegerichtsbarkeit flankiert wurden. Stärkte diese lutherische Konfessionalisierung zunächst den inneren Staatsbildungsprozeß im Herzogtum, so kam es erneut zu konfessionellen Destablisierungserscheinungen, als Johann I. in den 1580er Jahren zum reformierten Bekenntnis wechselte. Die Presbyterien wurden noch stärker in die landeskirchliche Ordnung eingebunden, erhielten aber zugleich erweiterte Kompetenzen in der Kirchenzucht. Die reformierte Durchdringung des Territoriums erreichte jedoch nicht die Tiefe der vorangegangenen lutherischen Konfessionalisierung, nicht zuletzt aufgrund der Zuwanderung von Lutheranern in das durch die Kriege des 17. Jahrhunderts von Bevölkerungsverlusten geplagte Territorium. Damit erreichte auch die Landesherrschaft nicht die Stärke wie in anderen, konfessionell stärker vereinheitlichten Regionen.

Die dritte Phase landesherrlichen Kirchenregiments war zunächst von der Notwendigkeit geprägt, die Folgen des kriegerischen 17. Jahrhunderts durch Wirtschafts- und Sozialreformen aufzufangen. Diese von Konersmann mit dem Begriff "wohlfahrtsstaatlich" belegte Phase des Kirchenregiments sah sowohl Selbstbehauptungsversuche der drei im Territorium vertretenen Konfessionskirchen als auch Versuche des Fürstenstaats, die kirchliche Verwaltung zu überlagern, so im Bereich des Schulwesens. Mehrere Regierungswechsel, die dem Herzogtum u. a. auch katholische Landesherrn bescherten, verhinderten jedoch eine eindeutige Ausrichtung des landesherrlichen Kirchenregiments. Am Ende des Untersuchungszeitraums zeigt sich, daß auch in Pfalz-Zweibrücken letztlich ein "säkularisierter Wohlfahrtsstaat im Geiste des Aufgeklärten Absolutismus" (S. 662) errichtet worden war.

Insgesamt arbeitet Konersmann einen über die Jahrhunderte hinweg immer wieder aufscheinenden politischen Gestaltungswillen der Landesherrn heraus, der bei einem eher kleinen Territorium durchaus beeindrucken kann. Bei allen Differenzierungen, die die umfangreiche Darstellung bietet, erweist sich das Kirchenregiment dabei als wichtiges Element für den inneren Staatsbildungsprozeß. Am Ende des Untersuchungszeitraums jedoch hatte sich der Territorialstaat selbst als Zentrum aller Politik und der Verwaltung etabliert. Durch die Übernahme sozialer Versorgungsaufgaben durch den Staat wurden die Kirchen traditionell wichtiger Aufgaben enthoben; sie waren zunehmend dem Fürstenstaat unterworfen, zu dessen Aufbau sie einen so wichtigen Beitrag geleistet hatten.

 

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